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Matthias aus Berlin berichtet von einem Nachmittag im Repair-Café
Repaircafé zur Sommerferienzeit. Man sollte annehmen, die Menschen wollen nur im Park liegen und den Tag ausklingen lassen. Nichtstun. Herumgammeln. Gott einen guten Mann sein lassen.
Stattdessen fällt ca. ALLEN gleichzeitig ein „Mensch; HEUTE könnt ich doch mal ins Repaircafé gehen. Da war ich noch nie!“. Und so drängeln sich die Massen im Eingangsbereich, der Empfang spult seine Texte tapfer in einer unpausierten Endlosschleife ab und an den Tischen in der Werkstatt wird es eng. Stimmengewirr, dazu Gewusel von Gästen, Helfern und Reparateuren und über allem die Geräusche der Patienten vor, während und nach der OP: Föhns, Radios, startende Windows, Staubsauger… Bei den meisten Lauten merkt selbst der Laie: „Da stimmt was nicht!“. „Was klingt wie etwas, was ich schon einmal hatte? Wo kenn ich mich aus? Oh je; nix aus meinem Fachgebiet!“. Gelinde Versagensangst schwingt mit, wenn es nur „Neues“ gibt. Eine Fehlersuche in Terra Incognita ist immer mit Extra-Nervenkitzel verbunden. Dann noch die Wartenden im Nacken; ihre hoffnungsfrohen Augen auf sich spürend macht die Wahl oft auch nicht einfacher. Ab und an ist jemand dabei, der meint ein Anrecht auf Sonderbehandlung zu haben und dies lauthals kund tut. Oder tiefempört mit seiner Begleitung über die ZUSTÄNDE hier diskutiert, Wartezeit, Temperatur, … Selten. Aber sie gibt es. Irgendwas am Ziel eines Repaircafés haben sie nicht begriffen. Und es findet sich kein Sozialarbeiter weit und breit, der sie zur Seite nimmt und erklärt, dass sie sich hier in einem Nerdbiotop befinden, voller zarter Pflänzchen, die mit solch negativer Energie nicht umgehen können… Ansonsten ist das Repaircafé ja eine beschützende Werkstatt. Die Statuten erlauben es, auch versagen zu können. Sich daran erinnernd greife ich einen Fall und suche mir den Kunden. Idealerweise übersehe ich dabei ““ich-war-aber-zuerst!""-Blicke. Doch wenn man sich mit seinem Gast und der Besuchsursache dann ein Plätzchen am Tisch gesucht hat und sich Schraube um Schraube tiefer vorarbeitet, wird es ruhiger um einen. Mit dem Fokus auf die Fehlersuche senkt sich eine Haube über uns drei. Die Umgebung tritt zurück, die Ablenkung nimmt ab, man ist für sich. Ruhe.
Eventuell hat man eine Vermutung, woran das Problem liegen könnte oder man macht das Objekt erst einmal auf; reinkucken hilft meistens weiter. Vorsichtig öffnen, dabei so wenig wie möglich abreißen oder - knicken (Staubsauger sind da die Hölle!). Zu sollte man es ja auch wieder machen können.
Wenn sich dann die Fehlerursache offenbart, gepaart mit einer Ahnung ob ihrer Reparierbarkeit, steigt das Fieber. Hin und wieder dem Besucher verraten, was man tut, ihn einbinden, vielleicht darf er auch mal was festhalten. Aber sonst: der Weg liegt klar vor mir, jetzt Schritt für Schritt zum Ziel, frickeln, mit den Tücken des Produktdesigns kämpfen ohne bleibende Schäden zu hinterlassen, hoffentlich keine in Harz vergossene Elektrik, Federn vorsichtig aushängen, Kabelstränge zur Seite schlängeln, Staub/Öl-Schmiere an den Fingern, … DA ist ist er, der Übeltäter, jetzt „nur noch“ die Platine ausbauen, um an die Unterseite zu kommen, der Lötkolben ist bereit, das Ersatzbauteil war im Fundus zu finden, das eigentliche Problem ist dann schnell behoben. Funktionstest mit offenem Brustkasten; „Bitte alle vom Patienten zurücktreten!“, Stecker rein, Schalter an: ER BRUMMT WIEDER! (…so wie er soll). Jetzt schon ist das Hochgefühl da, die Freude und Zufriedenheit, die Bestätigung der Selbstwirksamkeit. Der Zusammenbau geht beschwingt von statten, den Pfad rückwärts beschreiten ohne zu viele Schrauben zu vergessen… Dann das geflickte Objekt dem frohen Kunden in die Hand drücken (Beeindruckend: die Dame, die zum wieder funktionierenden Tonbandgerät zu tanzen begann) und sich nach dem Hände waschen eine Stulle gönnen.
Kauend steh ich da und bade noch etwas im Wohlgefühl des Erfolgserlebnisses. Entspannt wie Buddha blicke ich hinunter auf das muntere Chaos um mich herum; alles ist gut. Deswegen bin ich hier.